Mit diesen Songs wurden Gefangene gefoltert

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Für diesen Zweck haben die Musiker ihre Songs garantiert nicht geschrieben. Allerdings hilft gegen diese Verwendung auch keine Klage: Wir stellen zehn Lieder vor, die wiederholt bei Folterungen abgespielt wurden. Die Idee, Musik zur Folter zu benutzen, ist uralt. Schon in der Bibel ist die Rede davon, dass Jericho im Sturm eingenommen wurde – durch die Gewalt von Pauken- und Trompetenklängen. Seitdem haben sich die technischen Möglichkeiten extrem verändert – und so können Verhör-Spezialisten die Befragten mit Hilfe eines Kopfhörers und einigen Liedern sprichwörtlich in den Wahnsinn treiben. Aber welche Lieder wurden dafür verwendet? Das erfährst du im Folgenden:

Bruce Springsteen – Born in the USA

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Der bekannteste Song von Bruce Springsteen ist gleichzeitig eines der am häufigsten missverstandenen Lieder der Musikgeschichte. Eigentlich wollte der „Boss“ nichts anderes damit erreichen, als eine Hymne für die hart arbeitenden Bevölkerungsschichten schreiben und zugleich den Staat für die Behandlung seiner Bürger anklagen. Doch schon Präsident Ronald Reagan hatte dies nicht kapiert und ihn als patriotischen Hit propagiert. Scheinbar sind viele Menschen bis heute nicht schlauer. Denn die US-amerikanische Regierung soll „Born in the USA“ während Folterungen im Gefängnis von Guantanamo Bay abgespielt haben. Shaker Aamer, der infolge des Anschlags vom 9. September 2001 dort 14 Jahre lang einsaß, erklärte gegenüber NBC News: „Guantanamo wurde erbaut, um Menschen zu zerstören, um sie mental, physisch und spirituell zu brechen.“ Ein Teil dieses Prozedere war es, den Springsteen-Hit immer wieder abzuspielen – besonders während der Gebetszeiten.

Westlife – My Love

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Der 2000er-Hit „My Love“ von der irischen Boy-Band „Westlife“ wurde offenbar bei Folterprogrammen des US-amerikanischen Geheimdienstes CIA in einem Gefängnis in Afghanistan eingesetzt. Dies wurde im Zuge einer Klage im Jahr 2015 bekannt. Der später als unschuldig entlassene Suleiman Abdullah erklärte, es habe gezielte Folter durch Musik stattgefunden – und zwar durch Musik von „Westlife“. Deren Mitglied Nicky Byrne erklärte, als er davon gehört habe, hätte es ihm den Boden unter den Füßen weggezogen. Sein Bandkollege Kian Egan ergänzte, „My Love“ sei ein besonders ätzender Song und es habe sicher nur zwei Durchläufe gebraucht, ehe der arme Kerl gebrochen worden sei. Doch warum genau dieser Song? Suleiman Abdullah erläuterte, man habe ihm gesagt, das Lied sei eigens für ihn ausgesucht worden, weil er zwei Wochen zuvor geheiratet habe. Er sah seine Frau übrigens nie wieder.

David Gray – Babylon

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Als die britische Zeitung „The Guardian“ für einen Artikel mehrere Künstler kontaktierte, deren Lieder für Folterzwecke instrumentalisiert worden waren, meldete sich kaum einer zurück. Den Journalisten ging es darum, zu erfahren, wie sich die Musiker fühlten, wenn ihre Songs für derartige Zwecke benutzt wurden. Einer, der sich meldete, war David Gray, dessen Hit „Babylon“ während der Folter von Haj Ali missbraucht worden war. Der britische Sänger war schockiert, dass sich nicht mehr seiner Kollegen offen zu Wort melden wollten. Er verurteilte die Verwendung seines Liedes zutiefst und meinte, es sei im Grunde egal, ob sein Song benutzt werde oder nicht. Folter gehe gegen unsere Geschichte und alles, wofür wir behaupten zu stehen.

„Rosamunde“ (The Beer Barrel Polka)


Die Schrecken der Konzentrationslager im Zweiten Weltkrieg sind unvorstellbar. Einige Bilder haben die meisten Menschen sicher schon einmal gesehen. Doch offenbar gab es auch einen „Soundtrack“. Primo Levy, der 1944 nach Auschwitz geschickt wurde, erinnert sich daran, dass neue Häftlinge bei ihrer Rückkehr ins Konzentrationslager immer wieder von dem fröhlichen, beschwingten Lied „Rosamunde“ begrüßt wurde. Auch wurde das Lied bei Tötungen abgespielt. Auch in Dachau wurde Musik gezielt zum Foltern eingesetzt. Jüdische Gefangene wurden gezielt und für lange Zeiten mit patriotischen Musikstücken beschallt. Viele, die mit dem Leben davonkamen, konnten nie wieder Märsche, Reden und andere deutsch-nationale Klänge ertragen. Außerdem erfüllte die Musik noch einen weiteren Zweck: Sie übertönte die Schreie der Gefolterten.

George Harrison – My Sweet Lord

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Der chilenische Machthaber General Augusto Pinochet ergriff in einem Staatsstreich 1973 die Macht und regierte das Land für 17 Jahre. In dieser Zeit herrschten Terror und Folter. Tausende Menschen verloren ihr Leben. Nach dem Tod des Diktators im Jahr 2006 wurde intensiv erforscht, was sich in seiner Amtszeit genau ereignet hatte. Dabei kam unter anderem heraus, dass Folter mit Hilfe von lauter Musik an der Tagesordnung war. Zwei der am häufigsten gespielten Songs waren George Harrisons „My Sweet Lord“ und Julio Iglesias „Venceremos“. Auch der Soundtrack zum Film „A Clockwork Orange“ wurde regelmäßig entfremdet. Ex-Häftlinge berichten, die Wärter hätten oftmals die entsprechenden Lieder schon im Zellentrakt angestimmt, so dass die Inhaftierten wussten, was ihnen blühte.

Christina Aguilera Hit-Playlist


Im Jahr 2005 wurde ein Verhörprotokoll veröffentlicht, in dem es um den Guantanamo-Häftling Mohammed-al-Qahtani ging. Es war ein schockierender Bericht, in dem deutlich wurde, dass die 2002 vom Pentagon ausgegebene Entscheidung, härtere Verhörtechniken anzuwenden, voll umgesetzt wurde. Ein Jahr später wurde dieser Beschluss revidiert. In der Zwischenzeit aber wurde al-Qathani gefoltert. Auch mit Musik, wie einem 84-seitigen Bericht zu entnehmen ist. So wurde der Häftling gegen Mitternacht geweckt und mit Christina Aguilera Songs in Endlosschleife beschallt. Dies war, so die Annahme vieler Experten, eine bewusste Entscheidung: eine singende Frau sollte den Islamisten beleidigen.

Drowning Pool – Bodies

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Ein anderer „Lieblingssong“ der Verhör-Spezialisten in Guantanamo war „Bodies“ von der Nu Metal Band „Drowning Pool. Ein probates Mittel bei Schlafentzug ist das Abspielen von harten Rocksongs in einer ohrenbetäubenden Lautstärke. Heraus kam dies, als die Verantwortlichen 2017 mehrere Bands für ein Festival am Nationalfeiertag, dem 4. Juli, buchen wollten. Unter den vorgeschlagenen Acts war auch „Drowning Pool“. In einem später öffentlich gewordenen E-Mail-Verkehr hieß es, dies sei vielleicht keine so gute Idee, weil der Song der Band zehn Tage lang in einer Endlosschleife gespielt wurde, um Mohamedou Ould Slahi zu einem Geständnis zu zwingen.

Eminem – The Real Slim Shady

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1994 ersuchte Binyam Mohamed um Asyl in Großbritannien. Später wurde er in Pakistan gefangen genommen und sowohl in einem CIA-Gefängnis in Marokko als auch in Guantanamo Bay weggesperrt. Seit seiner Entlassung 2009 steht er im Zentrum einer Menschenrechtskampagne. Detailliert schilderte er einige Verhörmethoden wie Schläge, Schnitte mit einem Skalpell und Folter mit Hip-Hop-Musik von Dr. Dre und Eminems „Slim Shady“ in Endlosschleife. Die Lieder wurden tagelang abgespielt. Der britischen Zeitung „The Guardian“ berichtete er in einem Interview, die Musik sei schlimmer gewesen als der körperliche Schmerz.

Deicide – F*ck Your God

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Während viele Künstler protestierten, als sie erfuhren, dass ihre Lieder zu Folterzwecken missbraucht wurden, hatte Steve Asheim, Schlagzeuger der Band „Deicide“, kein Problem damit. Es ist offensichtlich, warum der Deicide-Song „F*ck Your God“ bei Folterungen von muslimischen Inhaftierten benutzt wurde. Asheim fragte sogar, ob man mit Musik überhaupt gefoltert werden könne. „Diese Typen sind Krieger. Sie wurden trainiert, um Folter zu widerstehen. Sie erwarten, verbrannt und geschlagen zu werden. Wäre ich ein Inhaftierter in Guantanamo Bay und würde mit lauter Musik beschallt – ich würde sagen: Ist das alles was ihr könnt? Kommt schon!“. Er bezweifelte zudem, dass der Song aus bestimmten Gründen ausgewählt worden war. Dies liege sicherlich daran, dass viele Metalfans im Militär seien, die das Lied mögen würden.

2pac – All Eyez On Me

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Anderthalb Jahre lang war Binyam Mohamed in Marokko Insasse in einem CIA-Gefängnis. Nach seiner Entlassung sprach er mit der britischen Menschenrechtsorganisation „Reprieve“ über die dort angewendete psychologische Folter. Er gab an, sie sei deutlich schlimmer gewesen als die körperliche – was Verletzungen mit Rasierklingen beinhaltet. Bestandteil seiner Folterungen war es, gefesselt zu werden und Kopfhörer aufgesetzt zu bekommen. Dann wurden die immer gleichen Lieder wieder und wieder abgespielt. Stundenlang, manchmal den ganzen Tag und die ganze Nacht, musste er sich Tupacs „All Eyes On Me“ anhören. Nach einigen Tagen Pause ging es schließlich wieder von vorne los.

Der Sinn der Musik wird pervertiert

Während die Bands und Solokünstler ihre Musik grundsätzlich zu Unterhaltungszwecken schreiben und Menschen damit erfreuen wollen, pervertieren Folterer und Verhör-Spezialisten weltweit den Sinn und Zweck der Lieder. Viele Menschen, die diese Qual erdulden mussten, können Musik – und die Freude, die normalerweise mit dem Hörvergnügen verbunden ist, nicht mehr genießen. Wer einmal stunden- oder sogar tagelang den immer gleichen Song in voller Lautstärke hören musste, bewegt sich an der Grenze zum Wahnsinn. CIA-Verhör-Experten haben davon berichtet, dass es effizienter ist, Menschen mit Musik zu foltern als mit körperlicher Gewalt. Offenbar ist dies eine gängige Praxis, die Angst, Desorientierung und den totalen Zusammenbruch von Menschen bewirken soll. Beginnt nach stundenlanger Dauerbeschallung das eigentliche Verhör, steht das Opfer bereits kurz vor der Aufgabe. Neben den genannten Liedern wurden viele weitere Stücke zweckentfremdet, etwa der Sesamstraßen-Soundtrack, Neil Diamonds „America* „, Metallicas „Enter Sandman*„, Queens „We Will Rock You*“ oder „Saturday Night Fever*“ von den Bee Gees.

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Dominik ist begeisterter Blogger in den Bereichen Filme, Serien, Musik und Videospiele, der sein breites Wissen und seine Leidenschaft für die vielfältigen Aspekte der Popkultur mit Begeisterung teilt.

E-Mail: dominik.sirotzki@popkultur.de